20.03.23
Mo 19:30
Unterwegs
Crossover

Painting Movies

Der verlorene Engel

20.03.23
Mo 19:30
Unterwegs Crossover

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Tritt man aus dem Lärm und der Hektik der Kölner Fußgängerzone in die Antoniterkirche, findet man nicht nur ein wenig Ruhe, sondern auch den Abguss einer Skulptur von Ernst Barlach: »Der Schwebende«, 1926/27 anlässlich der 700-Jahr-Feier für den Dom in Güstrow als Erinnerung an die Toten des Ersten Weltkrieges geschaffen; ein Mahnmal, das die örtlichen Nationalsozialisten 1937 aus diesem »entfernten«.

Nach einer Novelle von Franz Fühmann findet Ralf Kirsten eine außergewöhnliche filmische Form für die »unerhörte Begebenheit«, den Tag im Leben Ernst Barlachs (1870–1938), nachdem der »Der Schwebende« aus dem Güstrower Dom geschleift wurde. Kirstens Film verhandelt die fiktiven Ereignisse am 24. August 1937, stellt Barlachs Werke und die Selbstbefragungen des Künstlers, der als »entartet« gebrandmarkt zurückgezogen lebte, in den Mittelpunkt. Der Film erzählt von Begegnungen, inszeniert Beobachtungen und reflektiert so das Verhältnis von Künstler und Macht – sowohl in der historischen erzählten Zeit als auch mit Blick auf die DDR-Geschichte und darüber hinaus. »Wissen meine Figuren mehr als ich?«, fragt sich der Künstler.

Dem fertiggestellten Film wurde 1965 im Zuge des 11. Plenums – jenem kulturpolitischen»Kahlschlag«, bei dem eine gesamte DEFA-Jahresproduktion verboten wurde – die Zulassung verweigert. Im Vorfeld des 100. Geburtstags von Ernst Barlach (und einer Jubiläumsausstellung in Moskau) 1969/70 wurde eine Neubearbeitung des Films beim Regisseur in Auftrag gegeben. Als dieser sein Material wiedersah, fehlten 400 Filmmeter; unwiederbringlich. Am 18. Dezember 1970 wurde „Der verlorene Engel“ in der Botschaft der DDR in Moskau erstmals öffentlich gezeigt, ehe er 1971 für kurze Zeit auch in Kinos der DDR zu sehen war. Das »Fragment Barlach«, wie Kirsten es verbittert nannte, beeindruckt indes durch seinen außergewöhnlichen Stil und die filmische Form, die den Künstler, seine Werke und die Zeit sinnlich erfahrbar machen – und zum Nachdenken über Kunst, Macht und Gesellschaft(en) einladen.

 

Wie immer findet Painting Movies in der Filmpalette, Lübecker Str. 15, 50668, statt. Wir freuen uns besonders, dass Dr. Stefanie Mathilde Frank uns in den Film einführen wird und außerdem nach der Vorführung für unsere Fragen da ist!

Bildcredits

Fred Düren in „Der verlorene Engel“ (R: Ralf Kirsten, 1966/1972)