Anna Boghiguian (geb. 1946 in Kairo) wird mit dem 30. Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig ausgezeichnet. Die ägyptisch-kanadische Künstlerin armenischer Herkunft zählt seit ihren Teilnahmen an den Biennalen von Istanbul 2009 und Sharjah 2011 und an der dOCUMENTA 13 in 2012 zu einer der spannendsten Positionen der Gegenwartskunst. Bekannt ist sie für ihre figurativen Wandmalereien, (Notiz-)Bücher, Zeichnungen, Gemälde, Fotografien und Skulpturen und auch für einige spektakuläre großformatige Installationen. Boghiguians Arbeiten entstehen oft spontan und häufig vor Ort, so auch jetzt in Köln zum Wolfgang-Hahn-Preis 2024. Sie gilt als einfühlsame Beobachterin des menschlichen Daseins und vermittelt eine Interpretation des zeitgenössischen Lebens, in der sie inhaltlich äußerst klug zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Dichtung und Politik, Geschichte und Literatur oszilliert. Ihre Kunstwerke feiern eine global vereinte Menschheit und nehmen die Nachwirkungen von Geschichtsverläufen und ihren Konflikten in den Blick, um über eine künstlerische Aufarbeitung Optionen für die Zukunft aufzuzeigen.
Anna Boghiguians Werke verbinden verbale und visuelle Elemente, wirken unmittelbar und emotional. Sie verknüpfen fundiertes historisches Wissen mit aktuellen Debatten und stehen in ihrer handwerklichen Ausführung im Kontrast zur Ästhetik der digitalen Welt. Ihre expressive Kunst hat in Deutschland bisher wenig Beachtung gefunden.
Gastjurorin Carolyn Christov-Bakargiev betont die Poesie, Direktheit und Aktualität von Boghiguians Werk, das ideal zur Sammlung des Museum Ludwig passe. Der Wolfgang-Hahn-Preis ehrt sie als zeitgenössische Künstlerin, die historische Geschichten mit aktuellen politischen und ästhetischen Diskursen verknüpft.
Für das Museum Ludwig plant Boghiguian eine Installation zu Konstantin Kavafis‘ Gedicht Die Schlacht bei Magnesia (1913), das ein Gefecht des römisch-seleukidischen Krieges beschreibt. Ihre Zeichnungen und Scherenschnitte verbinden Kavafis’ poetischen Kosmos mit ihrer erzählerischen Kunst und zeigen Figuren wie Philipp V. von Makedonien und Antiochus III.
Boghiguian, Tochter eines armenischen Uhrmachers, studierte in Kairo und Montreal und lebt kosmopolitisch. Sie nahm an renommierten Ausstellungen wie der Istanbul Biennale (2009, 2015), der Sao Paulo Biennale (2014, 2023) und der Biennale von Venedig (2015, Goldener Löwe für Armenien) teil. Sie hatte Einzelausstellungen in Turin, Bregenz, Siegen und Gent.
Über den Wolfgang-Hahn-Preis
Der Wolfgang-Hahn-Preis wird jährlich von der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig vergeben, 2024 zum 30. Mal. Mit der Auszeichnung sollen vorrangig zeitgenössische Künstler:innen geehrt werden, die sich in der Kunstwelt durch ein international anerkanntes Œuvre bereits einen Namen gemacht haben, in Deutschland aber noch nicht so bekannt sind, wie sie es verdienen. Das Preisgeld in Höhe von maximal 100.000 Euro setzt sich aus den Beiträgen der Mitglieder zusammen und fließt in den Erwerb eines Werks oder einer Werkgruppe der Künstler:innen für die Sammlung des Museum Ludwig. Mit dem Preis verbunden sind vom Museum Ludwig organisierte Ausstellungen der erworbenen Arbeit(en) der Preisträger:innen sowie die Herausgabe einer begleitenden Publikation; die Veröffentlichung zu Anna Boghiguian ist für 2025 geplant.
→ Bildcredits
Anna Boghiguian
A Poem, 2024
Installationsansicht
© Anna Boghiguian
Foto: Studio Fuis