Kölns Partnerstädte entdecken!
Im Juli 1958 wurde im belgischen Liège (Lüttich) ein „Verschwisterungseid“ zwischen sechs europäischen Städten unterzeichnet: Köln, Liège, Turin, Lille, Rotterdam und Esch-sur-Alzette in Luxemburg. Man ging die „feierliche Verpflichtung“ ein, durch Austausch und Begegnungen ein besseres gegenseitiges Verständnis zu fördern und zum Frieden und zur Stärkung Europas beizutragen. „Eine Ringpartnerschaft in dieser Größenordnung ist bis heute einzigartig“, so die Stadt Köln.
Anlässlich des 65-jährigen Jubiläums organisierten die Kölner Städtepartnerschaftsvereine 2023/24 Bürgerreisen in die jeweiligen Partnerstädte. Dies hat mich inspiriert – auch angesichts der Europawahl im Juni – im Frühjahr 2024 an den Reisen nach Lille, Liège und Turin teilzunehmen. Dort habe ich einheimische Museumsmitarbeitende gebeten, dem Kölner Publikum per Video Kunstschätze aus ihrer Stadt vorzustellen. Das haben sie getan! Denn auch die Kunst ist eine Brücke zwischen den Menschen in Europa.
Highlights der Reise nach Turin, Liège & Lille:
Am „Fuß der Berge“, in der Region Piemont, liegt Kölns italienische Partnerstadt Turin. Nach Rom, Neapel und Mailand ist Turin mit 850.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Italiens – wie Köln in Deutschland. Frühlingsroter Klatschmohn und schneeglänzende Alpenketten erfreuen das Auge der Besucher, die von den Höhen des Monte Cappuccini, direkt neben dem „Nationales Bergmuseum“, auf die im Tal liegende Barock-Stadt am Fluss Po blicken.
Die Turiner sind stolz auf ihre Stadt: „Spettacolare“ sei die Lage, sagt eine einheimische Dame. Das barocke Stadtbild – dazu gehören 18 Kilometer Arkaden-Gänge – wurde über Jahrhunderte vom Geschlecht der Savoyer geprägt, aus dem auch die Könige Italiens hervorgingen. Aber auch das Werden der nationalen Einheit Italiens ist im Stadtbild mit Denkmälern für Helden wie Garibaldi präsent.
Wer mehr, auch über die historische Rolle Turins, erfahren will, sollte das Museum im prächtigen Palazzo Carignano besuchen. Dort ist der einzige in Europa erhaltene Abgeordneten-Saal zu sehen, der aus den Revolutionszeiten von 1848 stammt. Eine kritische Diskussion zum „Höhenkonzept“ gibt es übrigens auch in Turin: Die beiden Hochhäuser, die sich deutlich über das harmonische Häusermeer in der Innenstadt erheben, ruinierten das Stadtbild, stellt die traditionsbewusste Turinerin auf dem Monte Cappuccini fest. Und dem Gast, der zum ersten Mal in Turin sei, empfiehlt sie, natürlich den Dom mit dem weltberühmten Grabtuch Jesu zu besuchen, das 2025 erstmals wieder öffentlich gezeigt werden soll. Und nicht versäumen dürfe man den Besuch des königlichen Jagdschlosses „Venaria Reale“. Ab 2000 wurde es aus EU-Mitteln generalstabsmäßig restauriert. Die Turiner sprechen von der „Wiedergeburt“ des Schlosses – dem Versailles des Piemont.
Fazit der Reise: Turin lohnt sich! Es gibt sehr viel zu entdecken – in der Kunst, in der Gastronomie und in einer einmaligen Landschaft. Wer die einst von Fiat geprägte „Autostadt Turin“ sucht, wird sie jedenfalls nicht mehr finden.
Wer von Köln mit dem Eurostar in die belgische Partnerstadt Liège (deutsch: Lüttich) fährt, ist schnell da: In nur einer Stunde ist der 2009 eingeweihte Hauptbahnhof „Guillemins-Liège“ erreicht. Die vom spanischen Star-Architekten Santiago Calatrava entworfene „Bahnhofs-Kathedrale aus Glas, Beton und Stahl“ ist das Entrée in eine Stadt, die sich nicht nur als wirtschaftliches, sondern auch als kulturelles Zentrum der Wallonie versteht: Noch bis Ende Juni erstrahlen Calatravas Glasfronten daher im Rahmen einer temporären Kunst-Installation des französischen Künstlers Daniel Buren in bunten Farben.
„In Liège ist die Kunst zu Hause“ lautet ein städtischer Slogan. Seit Anfang der 2000er Jahren verfolgt die Stadt (ca. 195.000 Einwohner) den Plan „Stadtprojekt“ und investiert in Großprojekte mit dem Schwerpunkt Kultur und Mobilität. Dazu zählt auch die Achse, die vom Bahnhof, vorbei an futuristischen Hochhäusern, über den Fluss Maas bis zum 2016 neu eingeweihten Kunstmuseum und Ausstellungszentrum „La Boverie“ – dem „Museum der Schönen Künste“ – führt.
Der Neueröffnung des Museums ging die architektonische Neukonzeption eines historischen Palais voraus, das zur Weltausstellung 1905 gebaut worden war. Für die Renovierung und Erweiterung engagiert die Stadt erneut einen international anerkannten Architekten: den Franzosen Rudy Ricciotti. Kostenpunkt des Großprojekts: 27,6 Millionen Euro. Das Museum liegt auf der Insel „Outremeuse“ inmitten eines beliebten Parks mit Teich und altem Baumbestand. Vom Bahnhof ist es einen Katzensprung entfernt. Wer Liège zum ersten Mal besucht, kann in der Sammlung (Renaissance über Ingres, Picasso bis zur aktuellen, zeitgenössischen Kunst) auch die reiche Geschichte der Stadt nachvollziehen: 800 Jahre war Liège die Hauptstadt eines souveränen kirchlichen Staates, des Fürstbistums Lüttich (985-1789). Anfang des 19. Jahrhunderts bricht Napoleon die Vorherrschaft der Kirche. Im 19. und 20. Jahrhundert dominieren Kohle- und Stahlproduktion das Leben der Stadt. Und wer das Liège des 21. Jahrhunderts näher kennenlernen will: Es ist fast nebenan, nur eine Stunde von Köln entfernt!
„Wie Dornröschen aus dem Schlaf erwacht“ – das sei Lille, sagt Marie-Annick Verna, Co-Vorsitzende der „Association Cologne-Lille-Erfurt“ (ACLE). Wir treffen sie und weitere BürgerInnen im Frühjahr zum Austausch in Lille, organisiert vom Kölner Partnerschaftsverein. Noch bis Ende der 1970er Jahre habe die Stadt im Norden Frankreichs einen negativen Ruf als düstere Industriestadt gehabt. Dass die Metropolregion Lille (ca. 1 Million Einwohner mit Roubaix und Tourcoing)) heute als Kulturmetropole und Touristendestination gilt, ist für sie das Ergebnis zweier großer internationaler Bewerbungen: die gescheiterte für die Olympischen Spiele 2004 und die erfolgreiche zur „Kulturhauptstadt Europas“ 2003. Sie hätten einen ungeheuren Schub für die Stadtentwicklung ausgelöst, Begeisterung und Schwung: Viele leerstehende Gebäude seien in noch heute bestehende Kulturzentren umgewandelt worden.
Ausschlaggebend für das Lille von heute sei aber, dass die Verantwortlichen entschieden hätten, dauerhaft auf die Kultur zu setzen: „Das, was 2003 geschafft wurde, lebt weiter.“ So veranstalteten die Museen, Tourismus- und Kulturbetriebe gemeinsam mit Bürgern alle drei Jahre das Festival „Lille 3000“. Das Motto 2025: „Fiesta“. Ein glänzender Baustein im Kulturleben der Stadt ist das „Museum der Schönen Künste“ – nach dem Louvre das zweitgrößte Museum in Frankreich. Hier findet sich auch „Die Entführung Europas“ von Jacob Jordaens aus dem Jahr 1643. Ein üppig-sinnliches Bild zum weltbekannten Motiv. Mit der Ausstellung „Où sont les femmes?“ widmete sich das Museum – wie andere in Europa – jetzt folgendem Befund: Von seinen 60.000 Werken wurden nur 135 von Frauen geschaffen. Unter der Überschrift „Blicke von Männern, Bilder von Frauen“ wurde auch – wie beim Gemälde der schönen Europa – die laszive Darstellung weiblicher Frauenakte thematisiert. Und die rhetorische Frage gestellt: „Gewaltsame Entführung oder Hochzeitszug?“ In jedem Fall ist die Kultur in Lille diskussionsfreudig und weltoffen. Die Stadt ist jung, bunt und gastfreundlich. Eine Reise lohnt sich immer!
Autorin: Irmgard Schenk-Zittlau