Meine Highlights im WRM und ML
Gedankensplitter zu Lovis Corinths Geburtstagsbild von 1911
Die Mitgliedschaft bei den freunden des Museums ermöglicht unter anderem den eintrittsfreien Museumsbesuch. „Mal eben“ ins Museum, um zwischen den Kunstwerken zu flanieren oder um sich ein Werk, eine Epoche genauer anzuschauen – „Mal eben“ war ich so im Wallraf-Richartz-Museum.
Mich interessierten die Arbeiten von Lovis Corinth. Er wird als deutscher Impressionist neben Max Liebermann und Max Slevogt im Wallraf-Richartz-Museum präsentiert.
Das Bild „Großes Stillleben mit Figur (Geburtstagsbild)“ von Lovis Corinth von 1911 ist mit 150, 5 x 200 cm der Blickfang der Koje der deutschen Impressionisten und spricht mich sofort an.
Das Bild besteht aus zwei Ebenen, im oberen Teil ein Porträt einer jungen Frau als Halbakt, im unteren Teil ein Stillleben mit Wildbret, Fischen und Früchten. Das Porträt fesselt meinen Blick.
Die junge Frau blickt aus dem Bildraum heraus. Sie streckt ihren nackten Arm dem Betrachter entgegen und bietet einen kleinen Strauß Blumen an. Ihren Oberkörper neigt sie mit einer leichten Drehung in Richtung des Vordergrundes. Mit ihrer hellen Haut hebt sie sich vom dunklen Hintergrund ab. Sie wirkt sehr dynamisch, kraftvoll, lebendig und erotisch.
Sie nimmt Kontakt mit dem Betrachtenden, dem Maler auf.
Im Gegensatz dazu zieht das Stilllebenmotiv den Betrachter in den Bildraum. Von links nach rechts auf dem Tisch drapiert, sind Tiere, Obst und Blumen zu sehen, die durch kräftige Farben und heftige Pinselspuren zu einem fast wilden Arrangement werden. Die Anlage des Tisches mit dem Stillleben wirkt wie eine Barriere zwischen dem Porträt der jungen Frau und den Betrachtenden.
Helle Farbpartien überwinden diese Trennung und verbinden das Porträt mit dem Stillleben.
1911 malte Lovis Corinth 53-jährig dieses Bild seiner Frau Charlotte Behrend-Corinth zu ihrem 31. Geburtstag.
Was übermittelt Corinth mit diesen Bildinhalten, die er seiner Frau zum Geschenk macht?
Ich sehe darin eine Huldigung von Charlotte Behrend-Corinth. Er porträtiert sie als seine erotische Muse. Durch den reich beladenen Tisch symbolisiert er ihre Bewältigung des Alltäglichen in Küche und Haushalt. Er zeigt sie als Energiequelle seines Lebens. Sie ermöglicht ihm sich als Künstler zu realisieren, seine künstlerische Karriere auch nach dem im Dezember 1911 erlittenen Schlaganfall fortzusetzen.
Charlotte Berend, 1880 geboren, wollte selbst von jung auf Künstlerin werden. Sie nahm dazu bei Corinth ab 1901 Zeichen- und Malunterricht, wurde sein Modell und seine Muse, dann 1904 seine Ehefrau und Mutter der gemeinsamen zwei Kinder.
Ihre künstlerischen Ambitionen gab sie auf ausdrücklichen Wunsch von Lovis Corinth auf. Sie kümmerte sich ausschließlich um die Karriere ihres Mannes, der 1925 starb, und die Familie. Einige Jahre nach seinem Tod begann sie wieder künstlerisch zu arbeiten und entwickelte ein eigenständiges Oeuvre. Bis zu ihrem Tod 1967 wurden ihre Arbeiten in vielen internationalen Ausstellungen gezeigt.
Schenkte Lovis Corinth dieses (Wunsch-) Bild, wie er es wohl sah, der idealen Künstlerehefrau Charlotte Berend-Corinth oder sich selbst ?
Andreas Kuhlmann ………………………………………………..im Fokus!
→ Bildcredits
Lovis Corinth, Geburtstagsbild, Großes Stillleben mit Figur, 1911, Öl auf Leinwand, 150,5 x 200 cm, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud. Foto: RBA